Marc Rapparlie zur Zukunft der deutschen Nationalmannschaft

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Der deutsche Handball befindet sich auf Talfahrt. Der HSV Handball steht am Abgrund. Die Nationalmannschaft hat sich sportlich nicht für die WM 2015 in Katar qualifiziert. Marc Rapparlié von Global MMK gilt als Handball-, Marketing- und Medienfachmann. Sein Schriesheimer Unternehmen arbeitet mit Kunden wie der NBA, EHF Marketing und der IHF zusammen. Daneben ist er Manager von Spielern wie Patrick Groetzki, Christian Dissinger und Dominik Klein. Daniel Hund von der Rhein-Neckar-Zeitung sprach mit ihm, unter anderem über die Folgen des WM-Aus und die Option einer Wild Card – diese hatte die IHF mit Blick auf eines der Olympia-Qualifikationsturniere ins Gespräch gebracht, da die Sportart zuletzt vom Internationalen Olympischen Verband IOC aufgrund des fehlenden deutschen Fernsehmarkts bei den Spielen 2012 herabgestuft wurde.

Marc Rapparlie, wo steht derzeit der deutsche Handball?

Marc Rapparlie: Aufgrund der letzten Ergebnisse steht er sicherlich schlechter da, als er eigentlich ist. Gerade jetzt werden die Nachlässigkeiten sichtbar, welche vor Jahren auf allen Ebenen begangen wurden. Sportler, Manager, der DHB und die HBL haben da einen gleichen Anteil.

Sie kennen sich mit der Macht der Medien im Sport aus. Welche Folgen hat die verpasste Qualifikation der Deutschen?

Marc Rapparlie: Zuerst denke ich, dass es noch eine kleine Chance geben kann zur WM 2015 nach Katar zu fahren. Es ist gut möglich, dass Deutschland aufgrund des großen nationalen Handball-Interesses eine Wildcard bekommen könnte. Die direkte Folge einer Nichtteilnahme wäre, dass die Nationalmannschaft aus der Sportmedienlandschaft verschwinden würde. Und damit verliert auch der nationale Handball mehr und mehr an Marktanteilen.

Wie groß ist das Handballinteresse in Deutschland?

Marc Rapparlie: Bei einer EM oder WM recht hoch. Wir reden von ca. 260 bis 300 Millionen Zuschauerkontakten. Das ist eine wirtschaftlich mehr als signifikante Zahl im internationalen Handball.

Wie kommen Sie auf solche Zahlen?

Marc Rapparlie: Unsere Analysen belegen dies. Wenn in Deutschland so viele Kontakte in den Handball-Übertragungen generiert werden, dann sind das bestimmt 30 Prozent des gesamten internationalen Zuschaueranteils einer WM.

Was würden Sie dem DHB oder der HBL raten?

Marc Rapparlie: (lacht) Da sind clevere Leute, die brauchen meinen Ratschlag nicht. Ich bin mir sicher, dass der DHB und die HBL schon alle Hebel in Bewegung gesetzt haben. Das ist eine große Chance für beide Seiten. Die IHF und die Clubs können sich hier gegenseitig helfen und wieder eine bessere Beziehung anstreben. Die deutsche Seite muss die IHF von der Wichtigkeit des deutschen Marktes für den internationalen Handballs überzeugen. Gäbe es eine Wildcard muss Deutschland heißester Anwärter sein. Vielleicht muss man da auf deutscher Seite auch über den einen oder anderen Schatten springen. In Deutschland muss man mit aller Macht verhindern, dass das Handball-Interesse weiter fällt. Das geht zurzeit nur über die Nationalmannschaft.

Aber es gibt doch sicherlich auch andere Nationen, die Ansprüche an eine mögliche Wildcard anmelden?

Marc Rapparlie: Sicher und auch hier und da berechtigte Ansprüche. Deswegen sage ich, dass man sich von deutscher Seite schnellstmöglich mit der IHF in Verbindung setzen muss. Aus wirtschaftlicher Sicht, könnte die IHF diese Möglichkeit zumindest in Betracht ziehen. Alle anderen Nationen stellen der IHF nicht genug Reichweite zur Verfügung, um die internationale Wertigkeit einer Weltmeisterschaft zumindest zu erhalten.

Was ist ihrer Meinung nach falsch bei der Nationalmannschaft gelaufen?

Marc Rapparlie: Der Umbruch im Rückraum wurde nach 2007 nicht konsequent durchgezogen. Deutsche Rückraumspieler wurden und werden nicht ausreichend gefördert. Die Spieler, die Top-Clubs, der DHB und die HBL tragen hier alle eine gewisse Verantwortung. Ich habe wirklich nichts dagegen, wenn ausländische Weltklasse-Spieler in der Bundesliga spielen. Im Gegenteil, das ist wichtig für das Produkt der HBL. Aber es sollte doch möglich sein, die Position des zweiten Mannes mit einem jungen deutschen Spieler zu besetzen. Da müssen die Clubs der ersten und zweiten Liga sich hinterfragen.

Wie kann man deutsche Spieler noch besser fördern, als der DHB es schon macht?

Marc Rapparlie: Ich kann mich nur an eine bedingte Förderung erinnern. Der Elite-Kader endet nach der Junioren-Nationalmannschaft. Da haben andere Nationen schon längst zwei oder drei junge Rückraumspieler in deren Team integriert. Nur alleine auf den DHB, die HBL und die Clubs kann man sich als Handballer nicht verlassen. Die Jungs müssen wissen, dass sie auch selbst viel investieren müssen. Auf jeden Fall müssen der DHB und die HBL ihr System der nachhaltigen Förderung hinterfragen, verfeinern und vielleicht auch mehr positiven Druck auf die Clubs in dieser Sache ausüben.

Da machen die Rhein-Neckar Löwen das schon besser, oder?

Marc Rapparlie: Was soll ich dazu sagen? Tolles Internat, tolles Konzept und gute Leute, welche dies dort organisieren und umsetzen. Aber sie haben unter den kurzfristigen Löwen-Zielen schon gelitten. In den letzten Jahren hat kein Spieler vom Internat den Sprung in die Bundesliga direkt gepackt. Dies wäre für mich die wichtigste Bewertungsgrundlage. Das ist schade, denn da laufen hochtalentierte Jungs mit Top-Trainern herum.

Was muss ihrer Meinung nach geschehen, dass Deutschland wieder konkurrenzfähig wird?

Marc Rapparlie: Auf allen Positionen, bis auf die Mitte und Rückraumlinks, müssen wir uns keine Gedanken machen. Hier sind wir mehrfach Top- bis Weltklasse besetzt. Für die beiden vakanten Positionen müssen nun für mich vier Spieler besonders intensiv beobachtet und gefördert werden. Sie haben für mich in Zukunft das internationale Potenzial, welches notwendig ist, um mit der Nationalmannschaft in der Weltelite wieder anzukommen.

Welche Spieler wären das?

Marc Rapparlie: Fäth, der MVP bei der Jugend EM 2008 war, Dissinger, der MVP bei der Junioren-WM 2011 war, Drux von den Füchsen und Lemke von Lemgo. Drei von denen können auf jeden Fall Mitte und Halb spielen und sind stabil in der Abwehr. Werden die vier auf beiden Positionen richtig gefördert, dann haben wir in einem Jahr soviel Qualität, dass uns andere Nationen spätestens 2016 für unsere gesamte Nationalmannschaft bewundern werden. Aber die Jungs müssen wissen, dass man auf sie setzt und auch selbst genug tun, um diese Förderung zu rechtfertigen.

Weg von der Nationalmannschaft: Der HSV steht am Abgrund, ist das schlimm für den Deutschen Handball?

Marc Rapparlie: Nein. Schlimm finde ich nur, dass manche den HSV versuchen in die Liga zu reden. Für die Fans tut es mir leid. Aber jetzt weiß jeder, dass nachhaltige Konzepte über den kurzfristigen Erfolgen stehen. Es wird dem deutschen Handball nicht schaden. Jetzt müssen die Manager der Clubs doppelt so hart arbeiten, um Sponsoren davon zu überzeugen, dass man nicht ein HSV-Konzept fährt. Das klappt schon.

Quelle: Rhein Neckar Zeitung