Alle wollen gute Schiedsrichter- zu Recht

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Doch wie sieht hier die Wirklichkeit aus …
… in den letzten Wochen und Monaten stand nach Wochenenden selten das Telefon still.

Nicht aber, um von gelungenen, erfolgreichen und schönen Handballspielen in unserem Jugend-Spielbetrieb zu berichten, sondern, um Vorfälle unschöner Art zu melden. Aus den zahlreichen Gesprächen, Emails und Rückmeldungen auf unsere Nachfragen, die teilweise sehr emotional waren, zeigt sich, dass die Probleme viel tiefer liegen und die zum Teil sehr krassen Fälle offenbar nur stellvertretend für die Entwicklung ist, die in vielen Hallen stattfindet.

Wohin geht der (Jugend-)Handball in der Pfalz?
Nach einem Vorfall in der weiblichen C-Jugend, der uns ereilte, in dem es darum ging, dass ein Jungschiedsrichter sich in der Halbzeit nicht mehr traute, alleine auf das Feld zurückzugehen, um das Spiel zu Ende zu leiten, wird im Nachgang hauptsächlich darüber diskutiert, ob die Ansetzung das Jungschiris den Anforderungen des Spiels entsprechend war. Es wurde von einer „unglücklichen Ansetzung“ gesprochen, in einer „so brisanten Partie“ einen „so unerfahrenen Schiedsrichter“ einzusetzen.

Äußerungen dieser Art rufen, milde gesagt, Erstaunen bei uns hervor, handelt es sich doch um Jugendspiele, die zudem in Spielklassen stattfinden, in denen auch die Ausbildung der Spieler noch nicht allzu weit fortgeschritten ist: Welche Schiedsrichter sollen hier eingeteilt werden? Und warum sind, Eurer Meinung nach, die Jungschiris so häufig mit der Spielleitung überfordert?

Setzen wir in Jugendspielen die „Alten“ an, sind sie den Vereinen zu alt – die kommen ja gar nicht mehr hinterher; die „Jungen“ sind zu unerfahren und den steigenden Anforderungen auch in den untersten Spiel- und Jugendklassen, Eurer Meinung nach, (noch) nicht gewachsen. Es ist uns nicht möglich, für jedes „brisante Spiel“ (von denen es neuerdings offensichtlich sehr viele in unserem Jugendspielbetrieb gibt!) einen Oberliga, Drittliga oder Bundesliga-Schiedsrichter abzustellen – und zur Schande erntet auch dieser Kritik, wenn er Einsatz für die Jugend im eigenen Verband zeigt.

WORUM GEHT ES EUCH IM JUGENDSPIELBETRIEB EIGENTLICH WIRKLICH?
Um den Gewinn der Weltmeisterschaft? Oder doch eher darum, dass KINDER Handball spielen und Freude am Ausüben ihres Sportes haben? WIR denken, es geht um letzteres. Das Gewinnen wird dann zum schönen Nebeneffekt und das Verlieren zum Lehrer fürs Leben.

Der Zusammenhalt, das Gemeinsame des Mannschaftssports und der Spaß an der Sache stehen im Vordergrund. Das schließt ALLE Kinder und Jugendlichen als TEIL des Spiels ein: Heim, Gast und Schiedsrichter! Sich als TEIL des Spiels fühlen zu können, nach dem Spiel nach Hause zu gehen und sagen zu können: „Das war heute ein toller Tag, ein schönes Spiel, wir haben GEMEINSAM SPORT betrieben.“ – DARUM GEHT ES WIRKLICH!

Wir fragen uns, ob Euch eigentlich bewusst ist, welche Aufgaben ein Schiedsrichter allein aufgrund seiner Rolle in jedem Spiel zu erfüllen hat; und, welche Aufgaben ihm zusätzlich aufgebürdet werden, weil die übrigen Beteiligten keine Verantwortung mehr übernehmen wollen:
– Er hat dafür zu sorgen, dass der Spielbericht korrekt ausgefüllt ist. [Er muss den Beteiligten hinterher rennen, um alle möglichen Informationen, fehlende Pässe und Unterschriften einzutreiben.]
– Er hat zu prüfen, ob die Ausstattung der Spieler korrekt ist. [Er muss daran erinnern, dass Ohrringe ausgezogen, Klämmerchen abgeklebt sind und nicht „grün“ gegen „grün“ spielt mit grünen Offiziellen auf der Bank; die Technische Besprechung, in der das geregelt werden sollte, fällt nicht selten aus, weil die Verantwortlichen sich schlichtweg weigern.]
– Er hat das Spiel zu leiten, fair und gerecht auf beiden Seiten, fehlerfrei am besten; Er muss alle Aktionen angemessen und richtig ahnden. [Er muss übel foulende Spieler in den Griff bekommen, die es nicht besser gelernt haben; er muss wild gewordene Trainer im Zaun halten; er muss Konflikte zwischen Spielern und zwischen Trainern lösen – und das möglichst elegant, nicht arrogant! Er muss schauen, dass Z/S ihre Aufgaben erfüllen, schließlich ist er am Ende verantwortlich für Alles.]
– Er muss jederzeit jegliche Art von Kritik aushalten, die seine Leistung nicht beeinflussen dürfen.
– Er muss nach dem Spiel freundlich lächeln und mit dem Kopf nicken, während ihm noch mal so richtig die Meinung gegeigt wird.

Man bedenke hier zudem, dass der Schiedsrichter, da er häufig (unter anderem aufgrund des großen Mangels) als Einzelschiedsrichter agiert, der Einzige ist, der alleine ist, keine Mannschaft, keinen Trainer und keinen Betreuer hat, der das mit ihm zusammen durchsteht. Viele Erwachsene kommen nicht mal in ihrem normalen Leben mit solchen Anforderungen zurecht. Ihr erwartet aber von Jugendlichen (zwischen 13 und 17 Jahren), dass sie all dies lösen und aushalten.

In anderen uns zugetragenen Fällen wird immer wieder der Schutz der Spieler (vor rüden Fouls mit Verletzungsgefahr aber auch vor dem Verlieren aufgrund von Fehlentscheidungen) als Grund genannt, warum auf eine bestimmte Weise reagiert wurde bzw. warum man den jeweiligen Jungschiedsrichter für ungeeignet hält.

Wir sind definitiv für den Schutz der Spieler. Aber warum ist allein der Schiedsrichter dafür verantwortlich? Warum können die (erwachsenen) Trainer und Betreuer nicht auf ihre Mannschaften einwirken und mit ihren Spielern FAIRNESS besprechen und einüben? Warum können die Trainer nicht miteinander kommunizieren, um die Emotionen – die definitiv auch zu unserem schönen Sport gehören – wieder in angemessene Bahnen zu lenken? Warum muss ein Jugendlicher der Prellbock für all das sein, was wir Erwachsenen nicht regeln können?

Dass Jungschiedsrichter nervlich einbrechen, wenn so eine Verantwortung auf ihnen lastet und sie zusätzlich noch starkem Druck ausgesetzt sind, ist für uns kein Wunder. Wie gesagt, manche Erwachsene würden nach jedem Spiel in Tränen ausbrechen. Wir befürchten, dass die Dunkelziffer der betroffenen Jungschiedsrichter noch viel höher liegt, weil viele ihre Überforderung, Wut und Enttäuschung (an der sie sich nicht selten selbst die Schuld geben!) nicht vor Ort zeigen, sondern erst zu Hause im Stillen.

Es stellt sich uns letztendlich die Frage, ob denn nicht die Erwachsenen in der Bringschuld sind, den Kindern und Jugendlichen das, worum es wirklich geht, mit auf den Weg zu geben.

Ein anderer so geschehener Fall, bei dem ein Jungschiedsrichter von einem Elternteil während und nach einem Spiel bedrängt und bedroht wurde, bringt uns ins Zweifeln, ob die Erwachsenen ihrer Rolle noch gerecht werden. Ist es nicht unsere Aufgabe als Mannschafts- oder JSR-Verantwortliche, unseren Spielern und Jungschiedsrichtern Fairness, Menschlichkeit und einen respektvollen Umgang mitanderen beizubringen?

Manche Eltern sollten sich vielleicht überlegen, ob sie ihre Aggressionen nicht besser zu Hause oder im Wald loswerden. Anstatt Jugendliche, die eigentlich ihren Schutz verdienen, zu beleidigen, zu beschimpfen oder auch „nur“ über sie zu lachen. In was für einer Welt leben wir, wenn Jugendhandball zur Plattform solcher Affekte wird?

Kaum einer weiß aus eigener Erfahrung, was es bedeutet, Schiedsrichter zu sein. Und noch weniger wissen diejenigen, die sich so verhalten, was sie mit ihrem Verhalten anrichten. Wundert es euch ernsthaft, dass diesen Job keiner mehr machen will?

Wir kämpfen seit Jahren mit viel Einsatz um Nachwuchs im Schiedsrichter-Bereich. Vorfälle wie diese machen diese Arbeit zunichte!

Es geht uns nicht darum, unsere (Jung-/Schiedsrichter als unfehlbar darzustellen. Kritik ist erlaubt und erwünscht, Emotionen gehören zum Spiel und machen den Sport aus. Worum es uns geht, ist zum Nachdenken anzuregen und für ein besseres Miteinander, für mehr Wertschätzung, Respekt und Menschlichkeit in dem Sport zu sorgen, den wir alle lieben und der uns verbindet.

Thorsten Kuschel, Schiedsrichterlehrwart im PfHV.