„Am Silvesterabend bin ich immer nachdenklich“ – Klaus Gärtner im großen Jahreswechsel-Interview

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Gärtner_SGJugendkoordinator sowie Cheftrainer der SG Kronau/Östringen in der 3. Handball-Liga und Co-Trainer beim Bundesliga-Spitzenreiter Rhein-Neckar Löwen – Klaus Gärtner hat ein intensives, aber ein jederzeit auch interessantes Betätigungsfeld gefunden. Im Gespräch mit dem 40-jährigen A-Scheininhaber wird deutlich, wie der gebürtige Heidelberger die Entwicklung bewertet und welche Vorhaben er mit den Junglöwen hat. Und ob dann auch Zeit für Aktivitäten neben dem Handball bleibt und wie er den Jahreswechsel verbringt, verrät Gärtner im letzten Teil des Gesprächs.

Zunächst ein Blick auf die 3. Liga. Mit 16:16 Punkten steht die SG auf dem sechsten Tabellenplatz. Zufrieden mit der bisherigen Ausbeute?

Ja, ich denke wir können zufrieden sein. Sicherlich haben wir insgesamt nicht am Limit gespielt, aber wir waren in jedem Spiel dran und hatten immer eine Siegchance. Doch es gibt immer noch zu viele Phasen, in denen wir einfache Fehler machen. Das ist bei unserer jungen Mannschaft ein Lernprozess. In der Rückrunde werden wir einen weiteren Schritt nach vorne machen.

Gab es vermeidbare Punktverluste?

Sicherlich haben wir drei, vier Punkte liegengelassen. Aber mit 16:16 Punkten ist alles gut.

Bekanntlich schaust Du öfters auf die Tabelle und rechnest vor. Wie sieht denn die Rechnung für die Rückrunde konkret aus?

Für uns wird der Januar und Februar sehr interessant. In diesen beiden Monaten können wir uns das nötige Punktepolster holen. Das sind Heimspiele dabei, die wir nicht nur gewinnen können, sondern auch müssen. Wenn man es hochrechnet braucht man 28 Punkte für den Klassenverbleib.

Bei der SG ist die Tendenz positiv, aber es gibt auch Vereine, die immer mehr in Bedrängnis kommen?

Ja, es gibt Teams, die so ein bisschen nach unten durchgereicht werden. Aber wir schauen in erster Linie auf uns – und da sind der Januar und Februar sehr wichtig. Wir können die Weichen stellen, damit wir in der restlichen Runde Ruhe haben.

Und das ist alles mit dieser jungen Truppe zu schaffen?

Balingen-Weilstetten hat noch ein etwas jüngeres Team, wobei auch unser Schnitt unter 20 Jahren ist. Entscheidend ist immer, wer jeweils auf der Platte steht. Die Jungen entscheiden noch nicht die Spiele, das machen schon noch die erfahrenen Akteure. Wir haben eine gute Mischung in der Mannschaft.

Welche Erwartungen hast Du insbesondere an die noch weniger erfahrenen Spieler?

Die jungen Spieler müssen an ihren Aufgaben wachsen und sich aus dem Schatten der anderen herausarbeiten. Sie müssen dann selbst die Verantwortung tragen. Darum geht es jetzt, das wird die Aufgabe für die Rückrunde sein.

Michael Abt setzte sich neunmal durch (Foto: cls)
Michael Abt setzte sich neunmal durch (Foto: cls)

Wie können sie beispielsweise vom Liga-Torjäger wie dem 25-jährigen Michel Abt oder dem 26-jährigen Kreisläufer David Ganshorn profitieren?

Beide geben richtig viel Unterstützung und Tipps, auch im Training schon. Sie geben Sicherheit und Orientierung, auch wenn es auf dem Spielfeld mal etwas kritisch wird. Da können jungen Spieler ein Stück des Weges mitschwimmen, aber letztlich müssen sie auch die Würfe nehmen und die Tore machen.

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Der Jugendkoordinator bilanziert…
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Als Jugendkoordinator hast Du auch die anderen Mannschaften fest im Blick. Wie ist die SG unterwegs?

Das ist bislang eine super Saison für uns. Wir haben in der A-Jugendbundesliga trotz einiger Verletzungsprobleme nur ein Punkt Rückstand auf Platz zwei. Hervorheben möchte ich die sehr gute Entwicklung der Mannschaft von Trainer André Bechtold in den letzten Monaten.

War das überraschend?

Wir hätten das so nie erwartet und sogar befürchtet, dass es vielleicht sogar mit der Qualifikation schwierig wird.

Und die B-Jugend?

Da läuft es ebenfalls richtig gut. Mit Daniel Meyer haben wir einen Trainer verpflichtet, der einen ganz tollen Job macht. Die Mannschaft steht in der Baden-Württemberg-Oberliga mit 16:0 Punkten an der Tabellenspitze.

Davon profitiert auch der DHB?

Ja, denn im Jahrgang 1999 haben wir doch schon einige Nominierungen fürs Deutsche Nationalteam.
Die C-Jugend steht dem kaum nach oder?

Richtig, auch die C-Jugend ist gut unterwegs und führt die Badenliga mit 20:0 Punkten an. Am Anfang mit Roland Mächtel als Trainer, der für diese überragende Entwicklung gesorgt hat. Nun ist der Übergang zu Jonas Ruß absolut reibungslos erfolgt. 
Bedeutet, dass die Trainer gute Arbeit leisten?

Absolut. Das komplette Trainerteam macht einen richtig guten Job. Als Jugendkoordinator bin ich zum Jahreswechsel richtig gut zufrieden.

Wie kann die Erfolgsstory 2016 fortgesetzt werden?

Wir haben jetzt schon bei intensiven Trainersitzungen, die teilweise sogar fünf, sechs Stunden gedauert haben, eine Zwischenbilanz gezogen. Dabei hinterfragen wir auch immer wieder unser System und entwickeln dieses weiter. Derzeit sichten wir den Jahrgang 2000 und sind auch da schon recht gut vorangekommen.

Heißt konkret?

Wir haben viele gute Talente bei uns im Probetraining gehabt und haben auch schon die ein oder andere Zusage.

Wie werden die Erkenntnisse gebündelt?

Ich habe bereits erwähnt, dass wir uns stetig weiterentwickeln wollen. Und dazu gehört auch eine Intensivierung im Bereich Datenerhebung und Leistungsdiagnostik, damit wir auch Orientierungsgrößen und objektive Rückmeldungen für die Jungs haben.

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Klaus Gärtner als Co-Trainer der Rhein-Neckar Löwen…
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Du bist bei den Rhein-Neckar Löwen auch Co-Trainer. Wie läuft die Zusammenarbeit mit Löwen-Coach Nikolaj Jacobsen?

Durch meine ständige Anwesenheit beim Training ist der Austausch intensiver geworden. Es ist für mich wichtig zu sehen, was unsere Jugendspieler benötigen, um in den Profibereich hineinzukommen.

Die enge Verzahnung findet insbesondere bei den jungen Perspektivspielern statt. Wie erfolgt die Abstimmung?

Die Einsätze der Jungs und vor allem deren Training haben wir nun besser strukturiert. Es gibt monatliche Planungen wer wann und in welchem Team trainiert, so dass die Spieler eine gewisse Planungssicherheit haben und auch Kontinuität drin ist.

Du bist vor dreieinhalb Jahren von der SG Flensburg-Handewitt zu den Junglöwen gewechselt. Alles richtig gemacht?

Auf jeden Fall. Wir versuchen Dinge zu ändern, wobei es eben manchmal nur langsam vorangeht. Am Anfang ist man immer euphorisch, wie man die Welt aus den Angeln heben will, aber das funktioniert nicht immer so schnell wie es meinem Kalkül entspricht. Wichtig ist, dass man gewisse Dinge entwickelt und an denen auch dranbleibt.

Wie fällt demnach Deine Bilanz aus?

Wir hatten in meinem ersten Jahr eine durchwachsene, danach eine sehr erfolgreiche und letzte Runde eine sehr solide Saison. Jetzt scheint ähnlich wie vor zwei Jahren wieder sehr erfolgreich zu werden. Sicherlich wünscht man sich immer mehr, aber die Konkurrenz ist in Deutschland auch größer geworden.

Aktuell wurde von der DKB Handball-Bundesliga das Jugendzertifikat für 2016 vergeben. Die SG bekam zum neunten Mal in Folge dieses Gütesiegel. 

Das ist eine tolle Bestätigung unserer Arbeit und verdeutlicht, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Aber wir sind nicht alleine unterwegs.

Was meinst Du damit?

Die Konkurrenz ist in Deutschland größer geworden. Auch aufgrund des Jugendzertifikats sind vielerorts Leistungszentren entstanden und haben sich mittlerweile auch entwickelt. Aufgrund der gestiegenen Konkurrenzsituation ist es auch für uns Junglöwen nicht mehr so einfach, die Talente an uns binden zu können.

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Klaus Gärtner über Privates…
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Und auch in privater Sicht war es der richtige Schritt?

Gärtner_2SGUnbedingt, denn meine Freundin Denise und ich fühlen uns superwohl. Wir wohnen in Östringen, ich arbeite in Kronau. Dort spüre ich das uneingeschränkte Vertrauen unseres sportlichen Leiters Rolf Bechtold und auch insgesamt vom Verein. Das ist für mich unheimlich wichtig.

Bleibt bei den vielen Aufgabenfeldern überhaupt noch Zeit für andere Betätigungen?

Immer (lacht). Auf jeden Fall.

Und das wäre?

Radsport, also Mountainbikefahren und wenn dann Urlaub ist auch mal Skifahren und Bergtouren.

Der Kraichgau bietet sich ja für Radtouren an…

Ja, der Königstuhl bei Heidelberg ist immer ein Thema für mich. Aber auch Odenwald, Pfälzer Wald und Schwarzwald steuere ich gern an. Für Mountainbikesportler ist hier in der Region ein wahres Eldorado.

Beim zweiten Hobby Skifahren wird es momentan aber schwierig, schneesichere Gebiete zu finden. Wohin fährst Du?

Momentan sieht es nicht so gut aus. Traditionell geht’s aber Anfang Januar dennoch zum Skifahren. Aber wir hoffen noch, dass es schneit und wir in Serfaus genügend Pisten vorfinden.

Ist Klaus Gärtner am Silvesterabend ein Feier-Typ?

Nein, da bin ich der Anti-Feierer. Für mich ist Silvester immer nachdenklich. Meine Freundin und ich haben mittlerweile so eine kleine Tradition entwickelt und machen uns immer Jahresziele, die wir in einem Briefumschlag an unsere Pinnwand hängen. Die überprüfen wir am Silvestertag und setzen uns dann wieder neue Ziele. Es ist immer wieder spannend, aber insgesamt halt ein ruhiger Abend.

Wurden die Jahresziele für 2015 erreicht?

Nicht alle, aber die Quote ist doch ganz ordentlich.

Gibt es ein Beispiel?

Beim Fahrradfahren ging es darum, die Kilometerzahl zu erhöhen. Und die habe ich nun echt um einiges hoch geschraubt.

Was nimmst Du Dir für 2016 vor?

Gesünder leben, gesünder ernähren. Das haben wir schon begonnen, aber vielleicht auch ab und zu etwas übertrieben. Im Fokus steht es aber weiterhin.

Und welche Vorhaben setzt Du als Trainer?

Ich will mich als Trainer immer weiterentwickeln. Auch da setze ich mir natürlich Ziele. In manchen Sachen möchte ich noch konsequenter sein und auch mehr ins Detail gehen.

Gespräch: Kai Henninger / Quelle: SG Krona Östringen

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Zur Person
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Klaus Gärtner stammt aus Siedelsbrunn im Odenwald. Beim dortigen TV02 hat der gebürtige Heidelberger in der E-Jugend mit dem Handball begonnen und spielte bis zur Landesliga. Früh hat er mit 17 Jahren seine Trainerkarriere gestartet und war später auch Jugendtrainer in Birkenau und Heddesheim. Zunächst hat Gärtner in Darmstadt Sport auf Lehramt studiert, stieg dann aber auf Magister um mit Pädagogik und Psychologie im Nebenfach. Der Einstieg als Profi-Handballtrainer erfolgte im Juli 2004 bei der SG Flensburg-Handewitt. Seit Juli 2012 ist der 40-jährige A-Scheininhaber bei der SG Kronau/Östringen als Jugendkoordinator und Trainer der Drittligamannschaft. Seit eineinhalb Jahren ist der Wahl-Östringer zudem einer der beiden Co-Trainer von Nikolaj Jacobsen im Bundesligateam der Rhein-Neckar Löwen.