Als die deutschen Handballer Anfang Februar 2016 Europameister wurden, war die Freude im Lande groß. Ähnlich groß war kurz darauf der Ärger, den eine Kolumne der Wochenzeitschrift „Die Zeit“ auslöste. Der Publizist und Philosoph Wolfram Eilenberger schrieb damals über Handball: „Ehrlicher Sport von ehrlichen Männern für ehrliche Bürger, herzhaft, blutnah, widerständig.“ Zur Abgrenzung von den deutschen Fußballern, die mit einer Multi-Kulti-Truppe 2014 Weltmeister geworden waren, warf Eilenberger einen Blick auf das Mannschaftsfoto der Handballer: „Das frische Erfolgsteam hat keinen einzigen Spieler mit dunkler Hautfarbe oder auch nur südländischem Teint. Es handelte sich, mehr noch, um eine Mannschaft ohne jeglichen Migrationshintergrund. 100 Prozent kartoffeldeutsche Leistungsbereitschaft.“
Eilenberger verortete Handball sogar politisch in der rechten Ecke. „Wenn Fußball Merkel ist, ist Handball Petry“, schrieb er mit Blick auf die rechtspopulistische „Alternative für Deutschland“ und deren Chefin Frauke Petry. Eilenbergers Fazit: „Handball als Alternative für Deutschland? Danke, nein.“
Die Aufregung nach Veröffentlichung der Kolumne war in der Handball-Szene groß und die politische Verortung in der rechten Schmuddelecke eine ungerechte Zuweisung. Richtig ist aber, dass im Handball Spieler mit Migrationshintergrund eher die Ausnahme sind. Andere Sportarten in Deutschland hingegen wären ohne ausländische Jugendliche vom Aussterben bedroht. Das hat auch die Serie „Integration durch Sport“ der „Pforzheimer Zeitung“ im Frühjahr 2016 aufgezeigt.
Doch wie fast immer im Leben gilt: keine Regel ohne Ausnahme. Die Ausnahme ist die B-Jugend der SG Pforzheim/Eutingen. Es ist schon eine kleine Weltauswahl, die Trainer Alexander Bossert beisammen hat, mit Spielern von vier Kontinenten und aus zehn Nationen. Als das Team sich zum Gruppenbild versammelt, haben sie – teils handgemalte – Fahnen mitgebracht: Thailand, Italien, Israel, Australien, Kroatien, Russland, Bangladesch, Polen, Kolumbien – und natürlich Deutschland. Selbst die badische Fahne darf nicht fehlen.
Exotische Länder
Kontakt über Auswanderer
Höhere Hürden
Der Trainer weiß, warum für Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund die Hürde Richtung Handball höher ist als bei anderen Sportarten. Fußball ist eine weltweit verbreitete und beliebte Sportart, anders als der Handball, der schon in südeuropäischen Ländern wie Türkei, Griechenland und Italien keine große Rolle spielt und außerhalb Europas nur in wenigen Ländern populär ist. Handball ist auch kein Straßensport, den man problemlos immer und überall spielen kann. Und Handball ist von seinem Regelwerk und seiner Spielstruktur komplexer als zum Beispiel Fußball.Doch Bossert weiß auch, dass sich die Handballer in Zukunft stärker um Kinder mit Migrationshintergrund bemühen müssen, gerade in einer Stadt wie Pforzheim, wo der Anteil ausländischer Jugendlicher besonders hoch ist. Deshalb engagiert sich die SG wie kaum ein anderer Verein in Kooperationen mit Schulen.
Einladung zum Sabbat
Bossert kennt auch die Hürden, die es zu überwinden gilt. „Ein Vereinsleben wie hier bei uns in Deutschland gibt es in vielen anderen Ländern nicht“, weiß er. Dabei sieht er selbst, wie der Austausch der Kulturen im Sport allen zugute kommt. „Jeder kann etwas einbringen.“ So wie Juwal Dattner, der aus einer strenggläubigen jüdischen Familie kommt. Einmal hat er seine Mitspieler am Freitagabend zur Sabbat-Feier nach Hause eingeladen. Alexander Bossert findet das gut: „Denn wir müssen offen sein für alles.“
Quelle: Udo Koller/Pforzheimer Zeitung“ und Fotos, „Ketterl/Pforzheimer Zeitung