Auch die MT Melsungen kann die Löwen nicht aufhalten

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Karlsruhe (esch). Der Kampf um die deutsche Handballmeisterschaft bleibt weiterhin spannend wie ein Samstagabendkrimi, vielleicht sogar noch spannender. Dieses Mal mussten die Rhein-Neckar-Löwen vorlegen und der THW Kiel muss am Sonntag bei TuS Nettelstedt-Lübbecke folgen. Vor 12 022 Zuschauern in der fast ausverkauften SAP-Arena lieferte der Tabellenführer vor allem in der ersten Hälfte eine exzellente Partie ab und lag gegen die MT Melsungen schon mit 21:12 in Führung. Nach einer kurzen schwächeren Periode Mitte der zweiten Hälfte nahm Trainer Gudmundur Gudmundsson ein Auszeit und brachte den Löwen-Motor wieder auf Hochtouren. Ein wichtige Maßnahme, denn es sprang am Ende ein 41:28 Heimsieg für die Badener heraus, die weiter mit nun 57:9 Punkten und einer um 21 Treffer besseren Tordifferenz auf Platz eins thronen. Die Entscheidung, ob die Löwen ihren ersten deutschen Titel einfahren können, wird wohl erst am letzten Spieltag in Gummersbach fallen.

Die Nordhessen hatten Anwurf und damit die Möglichkeit ein erstes Zeichen zu setzen, aber es misslang. Michael Müller scheiterte an alter Wirkungsstätte, er spielte bis 2012 drei Jahre für die Löwen, mit seinem ersten Versuch an Niklas Landin-Jacobsen. Der Däne leitete die Kugel sofort weiter an Kapitän Uwe Gensheimer, der den besser positionierten Gedeon Guardiola bediente: nach 35 Sekunden stand es 1:0. Die Arena kam von Anfang an auf Betriebstemperatur. Aber die Schützlinge von Trainer Michael Roth reagierten sofort und demonstrierten, dass sie es den Löwen schwer machen wollten, den nächsten Sieg einzufahren. Müller glich aus und mit seinen Kollegen langte der Hüne in der Abwehr auch kräftig hin. Die Gelbhemden hielten voll dagegen, so dass sich in der Anfangsphase eine harte Partie entwickelte. Kim Ekdahl du Rietz war vor dem Ausgleich gleich zweimal an Torhüter Appelgren gescheitert, machte es mit seinem nächsten Versuch besser und erzielte die erneute Führung. Eine halbe Minute später tankte sich Müller wieder durch und glich zum 2:2 aus. Nach der Glanztat von Appelgren gegen du Rietz steigerte sich die Abwehr der Gastgeber und agierte in der Folgezeit wesentlich konzentrierter. Resultat war ein 4:0 Lauf, indem Gensheimer von Linie, Andy Schmid, Patrick Groetzki und abermals der Schweizer Spielmacher den Vorsprung auf vier Treffer ausbauten. Nach einem Gegentreffer durch den schwedischen Regisseur der Nordhessen, Patrik Fahlgren, legten Schmid und Groetzki innerhalb einer Minute zweimal nach: 8:3. Trainer Michael Roth, ebenfalls schon für den badischen Club tätig, nahm eine Auszeit. Kurz danach „müllerte“ es wieder, aber dieses Mal durch Zwillingsbruder Philipp. Es war jedoch nur ein kurzes Aufflackern, denn Abwehrstratege Daniel Kubes langte beim nächsten Löwen-Angriff zu heftig hin und kassierte dafür eine Zeitstrafe und einen Siebenmeter. Gensheimer nutzte die Chance und erhöhte auf 9:4. Seine Mannschaft spielte die Überzahl klug aus und baute den Vorsprung auf 13:4 durch Gedeon Guardiola und Sergey Gorbok aus.

Beim Versuch den Wurf von Gorbok zu verhindern, kam Philipp Müller zu spät und traf den Rückraumschützen ins Gesicht. Die Schiedsrichter zeigten dem Hessen rot und schickten ihn auf die Tribüne. Der Tabellensechste kam etwas aus dem Tritt und konnte auch aus der Zeitstrafe für den spanischen Weltmeister in den Reihen der Badener keinen Nutzen ziehen. Selbst der beste Schütze der Nordhessen, Nationalspieler Michael Allendorf, zeigte an der Siebenmeterlinie Nerven und vergab. Mit der zweiten Zeitstrafe für Kubes erhielten die Hausherren für kurze Zeit die Chance in doppelter Überzahl zu weiteren Torerfolgen zu kommen. Nach dem 12:4 durch Schmid war jedoch kurzfristig Sand im Getriebe bei den Gelbhemden und die Gäste störte auch diese Unterzahl nicht, sondern sie verkürzten durch Fahlgren und den eingewechselten Johannes Sellin auf 12:6. Aber die Löwen hatten ja noch Landin, der in einer bestechenden Form agierte. Nach zwei Ballgewinnen durch den Weltklasse-Keeper legten vorne Bjarte Myrhol und Alexander Petersson nach. Der Vorsprung war wieder auf acht Treffer angewachsen und Roth zog zum zweiten Mal den grünen Karton. Dieses Mal fiel die Ansprache etwas heftiger aus, ohne aber eine größere Veränderung in der Spielweise seiner Mannen zu erreichen. Auch ein Wechsel auf der Torhüterposition, Sandström für Appelgren, brachte keine wesentliche Verbesserung. Fünf Minuten vor dem Pausensignal lagen die Gastgeber immer noch acht Tore in Front. Angetrieben von der beeindruckenden Kulisse in der Mannheimer Arena drückten die Löwen weiter auf das Tempo und bauten den Vorsprung Sekunden vor der Pause durch einen Siebenmeter von Gensheimer auf 21:12 aus.

In der Pause wurde kräftig diskutiert, ob Michael Roth es schaffen würde, seine Mannschaft in der Pause wieder auf Kurs zu bringen. Trainer Gudmundsson war mit seinen Jungs zufrieden und hatte anscheinend nur eine kurze Ansprache gewählt, denn sein Team war schon frühzeitig wieder auf dem Parkett. Bei MT Melsungen kehrte Appelgren zwischen die Pfosten zurück und konnte aber nicht verhindern, dass Schmid sofort wieder einnetzte. Dies bedeutete die erste Führung mit zehn Toren und die Halle tobte. Die Anfangsphase nach dem Wechsel gestalteten die Nordhessen ausgeglichen und hielten den Abstand bei zehn Toren oder auch mal darunter. In der 38. Minute schickten die Schiedsrichter Nikolai Manojlovic auf die Strafbank und MTM hatte die Chance abermals zu verkürzen. Nur hatte Goran Stojanovic etwas dagegen. Beim Siebenmeter löste er Landin ab und verhinderte den Torerfolg durch Sellin. Im Gegenzug machte es Gensheimer besser und versenkte die Kugel zum 27:16 im Gästetor. Es folgte im nächsten Spielabschnitt ein Wettschießen zwischen Schmid und Michael Müller. Beide erzielten je drei Treffer und sorgten für Stimmung in der SAP-Arena. Allerdings schwächelten die Löwen kurz vor Mitte der zweiten Hälfte etwas, so dass Müller mit Unterstützung seiner Kollegen Allendorf, Sellin und Anton Mansson auf 30:22 verkürzen konnte. Trainer Gudmundsson hatte die Faxen dicke und zückte den grünen Karton. Groetzki mit seinen Treffern vier und fünf stellte den Abstand von zehn Toren wieder her, ehe die Petersson-Show begann. In der Schlussphase gelangen dem isländischen Linkshänder sechs sehenswerte Tore und löste damit unbeschreiblichen Jubel auf den Rängen aus. Die Halle feierte jeden Treffer der Gelbhemden lautstark, mit dem Wissen, dass jedes Tor in der Endabrechnung gegenüber Kiel hilfreich sein kann. Nach dem 33:22 durch Petersson nahm Roth seine letzte Auszeit, denn er wollte ein Debakel für sein Team verhindern. Beim folgenden Angriff scheiterte Sellin an Landin und Manojlovic sorgte mit seinem Gegenstoß für die erste Führung mit zwölf Toren. In der 50. Minute erwischte es den Kapitän, der für eine Abwehraktion eine Zeitstrafe erhielt. Die Überzahl brachte den nächsten Treffer für die Nordhessen durch Kreisläufer Mansson. Aber Melsungen nahm sich den Vorteil der Überzahl selbst wieder, denn Kubes langte ungeschickt hin und wurde zum dritten Male für zwei Minuten auf die Bank verwiesen, was die rote Karte beinhaltete. Trainer Gudmundsson schickte Stefan Sigurmannsson auf Linksaußen ins Rennen, solange Gensheimer auf der Bank sitzen musste. Bei seiner ersten Abwehraktion gegen Müller war er zu spät dran und traf den Ex-Löwen im Gesicht: rote Karte. Mit Strafen waren die beiden Unparteiischen nicht zimperlich, denn neben den beiden Disqualifikationen mussten beide Teams die Hälfte der Spielzeit in Unterzahl agieren. Die Gastgeber spielten die Zeiten der Überzahl nicht immer effektiv genug, so dass eine höhere Torausbeute durchaus möglich gewesen wäre. Den Schlusspunkt zum 41:28 Heimsieg setzte Gensheimer eine halbe Minute vor dem Ende. Mannschaft und Arena feierten den 17. Heimsieg in dieser Saison überschwänglich.

Trainer Gudmundsson: „Es war von unserer Seite ein sehr gutes Spiel, ich bin sehr stolz auf unsere Mannschaft. Es war unser letztes Heimspiel und wir wollten das unbedingt gewinnen. Damit haben wir alle Heimspiele in dieser Saison gewonnen. Wir wissen alle, dass es um sehr viel geht und wir versuchen alles. Wir wollen den deutschen Meistertitel sehr gerne holen. Für mich war das kein einfaches Spiel, denn es war für mich das letzte Heimspiel nach vier Jahren. Einige Tränen wollten nach dem Spiel raus, sind aber dann doch drin geblieben. Ich finde, meine Mannschaft hat es auch heute wieder überragend gemacht.“

Trainer Roth, MTM: „Wir sind nicht hier um Leistungen zu entschuldigen, sondern ich möchte als erstes unseren Gegner loben, der im Augenblick einen überragenden Handball spielt. Wir haben uns mit Sicherheit heute mehr vorgenommen, das Ergebnis nicht ganz so deutlich zu gestalten. Von Anfang an haben wir versucht dagegen zu halten, sind dann aber früh ins Hintertreffen geraten und haben so die Löwen ins Selbstvertrauen gebracht. Von meiner Mannschaft hat einzig Michael Müller gezeigt, was man in dieser Halle machen muss. Dafür hat er auch Lob verdient. Dass meine Mannschaft aber nicht so richtig in Form kam, lag vor allem an der starken Leistung der Löwen.“

Manager Torsten Storm: „Ich möchte unserem Trainer herzlich danken, denn siebzehn Heimspiele in einer Bundesligasaison zu gewinnen hat es so oder so noch nicht gegeben. Das ist kein Zufall sondern hier wurde Tag und Nacht hart dafür gearbeitet. Wenn die Mannschaft das umsetzt, was Gudmundur Gudmundsson plant, dann kommt so etwas raus wie heute. Es war eine Mannschaft, die unbedingt gewinnen will. Das hat man heute wieder gesehen. Im Moment gibt es zwei Mannschaften die um den Titel kämpfen. Für Kiel ist das normal, für uns ist das neu. Es geht in Gummersbach für uns um alles und deshalb schauen wir auch nicht nach links oder rechts. Wir machen unser Ding und wir werden alles dafür geben. Es war eine gute Saison und es geht jetzt nur noch darum, ob wir dafür belohnt werden.“

Für die Löwen spielten: Niklas Landin-Jacobsen, Goran Stojanovic (bei zwei Strafwürfen) – Andy Schmid (9), Uwe Gensheimer (9/5), Zarko Sesum, Issaias Guardiola, Nikolai Manojlovic (2), Sergey Gorbok (2), Patrick Groetzki (5), Gedeon Guardiola (2), Alexander Petersson (9), Kim Ekdahl Du Rietz (2), Bjarte Myrhol (1), Stefan Sigurmannsson.

Für Melsungen spielten: Mikael Appelgren, Per Sandström (22.-30. und ab 43.) – Jonathan Stenbäcken (1), Anton Mansson (3), Johannes Sellin (6/3), Daniel Kubes (1), Patrik Fahlgren (5), Christian Hildebrand, Felix Danner, Philipp Müller (1), Michael Allendorf (1/1), Nenad Vuckovic (1), Michael Müller (8), Christian Zufelde (1).